Das KIS-Projekt: Verbesserung der Arzneimittelsicherheit anhand elektronischer Datenakten

Die Einführung elektronischer Krankenakten mittels Klinischen Informationssystemen (KIS) in psychiatrischen Kliniken in der Schweiz bietet neue, vielversprechende Perspektiven für die Arzneimittelsicherheit. Die SGAMSP verwendet in ihrem KIS-Projekt die Daten von Klinikinformationssystemen grosser psychiatrischer Kliniken der Schweiz.
Die KIS-Daten bieten die Grundlage für pharmakoepidemiologischen Untersuchungen. Im Gegensatz zu Spontanfallmeldungen, die wir im Rahmen des ASMP-Projekts auswerten, stützen sich pharmakoepidemiologische Studien auf grosse, repräsentative Datensätze. Bei der Auswertung kommen die gut etablierten Methoden der Epidemiologie zur Anwendung. Dies hat den wichtigen Vorteil, dass das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) in Bezug auf die Anwendung eines bestimmten Arzneimittels gesetzt werden kann. Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen können sich im Verlauf des klinischen Einsatzes über die Zeit ändern. Die Art und Weise der Meldungen beeinflussen diese Datenauswertungen nicht.

Das KIS-Projekt der SGASMP wird folgende Berechnungen erlauben (Auswahl):

  • Die Häufigkeit von einer UAW im klinischen Alltag. Diese mag von der in klinischen Studien beobachteten Häufigkeit deutlich abweichen, weil eine Studie ein künstliches, hoch kontrolliertes Experiment darstellt.
  • Die Risiken verschiedener pharmakotherapeutischer Optionen können miteinander in Bezug gesetzt werden. Dies erlaubt, Hinweise zu geben, welche Option in der Praxis die sicherste Option darstellt.
  • Grosse Datensätze erlauben es, kleine Untergruppen zu analysieren. Dazu gehören seltene Kombinationsbehandlungen, bestimmte Alterssegmente, bestimmte Krankheiten, Schwangerschaft etc. Das Arzneimittelrisiko dieser Gruppen kann anhand von Studiendaten und Fallberichten nicht verlässlich berechnet werden, weil die Fallzahlen zu klein sind. Das Kennen von spezifischer Risiken in bestimmten Gruppen ist klinisch von grosser Relevanz. Zum Beispiel haben Girardin et al (2013) herausgefunden, dass die substanzinduzierte QT-Verlängerung bei Hypokaliämie, HCV- und HIV-Infektionen ein Problem darstellt.
  • Die elektronische Krankenakte enthält nicht nur Daten zur Sicherheit, sondern auch zu den Sicherheitsmassnahmen. Werden die Dosierungen der Nierenfunktion angepasst? Werden bei kardioaktiven Substanzen regelmässig EKGs geschrieben? Wird der Plasmaspiegel von Substanzen, die ein kleines therapeutisches Fenster haben, engmaschig kontrolliert?

Der klinische Nutzen solcher Berechnungen beinhaltet folgende Optionen:

  • Information über relative Risiken von Arzneimittelbehandlungen. Diese werden die Ergebnisse aus Studiendaten (Meta-Analysen) und Spontanfallmeldungen ergänzen. Idealerweise sollten Behandlungsempfehlungen solche Informationen enthalten.
    Die retrospektive Analyse potentieller Medikationsfehler und fehlender Sicherheitsmassnahmen helfen Kliniken ihre Praxis der Arzneimittelsicherheit zu verbessern.
  • Die elektronische Verordnung erlaubt die frühe Erkennung von riskanten Verschreibungen und Hinweise auf notwendige Sicherheitsmassnahmen. Aktuell haben solche Systeme die Tendenz, zu viele, unspezifische Alarme auszulösen, was zur Abstumpfung führt. Systematische Forschung ist notwendig, um wichtige, alarmwürdige Risiken von kleinen, wenig relevanten Risiken zu unterscheiden. Automatisierte hochspezifische Warnmeldungen zum Zeitpunkt der Verordnung sind eine potente Massnahme zur Vorbeugung von Medikationsfehlern und mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen.
  • Fortlaufende Überwachung der Arzneimittelsicherheit. Diese beinhaltet nicht nur Medikationsfehler, sondern auch das Management von UAW und die damit verbundenen Kosten. Pharmakoepidemiologische Studien weisen zum Beispiel daraufhin, dass Benzodiazepine im Alter besonders viele Notfälle und Kosten mit sich bringen.

Im Rahmen des KIS-Projekts ist die SGAMSP interessiert an der Zusammenarbeit mit psychiatrischen Kliniken in der Schweiz. Die Vertraulichkeit wird strikte bewahrt und kann auf Wunsch auch vertraglich geregelt werden.